Dr. Wolfgang WEIRER, A.o.Univ.-Prof. für Religionspädagogik
Vizedekan der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Graz
Gespräch über die Weiterentwicklung des Religionsunterrichtes – ja, möglichst bald!
Vizekanzler Reinhold Mitterlehner hat in einem Interview mit der „Kleinen Zeitung“ v. 25.1.2015 ge-fordert: Religionslehrer/innen sollen verpflichtet werden, die wertschätzende Darstellung anderer Religionen zu forcieren, um Feindbildern vorzubeugen.
Lernen „mit anderen“ Religionen statt Lernen „über“ Religion
Dieser Forderung ist aus Sicht der Religionspädagogik klar zuzustimmen. An vielen Schulen tragen Religionslehrer/innen Wesentliches zu einem wertschätzenden Klima in Bezug auf andere Religionen und Kulturen bei. Dennoch sind die interreligiösen Kompetenzen von Religionslehrern in Aus- und Fortbildung zu stärken. Eine wertschätzende Grundhaltung anderen gegenüber ist allerdings nicht nur durch ein Lernen „über“ andere Religionen zu erreichen. Vielmehr müssen konkrete Begegnun-gen und gemeinsames Lernen von Christen, Muslimen, Juden – und von Schüler/inne/n, die sich kei-ner dieser Religionen zugehörig fühlen, angestrebt werden. Solche interreligiösen Begegnungen sind verpflichtend in die Lehrpläne für den Religionsunterricht – aller Religionen und Konfessionen – auf-zunehmen.
Religionsübergreifende Charta für eine wertschätzende inter-religiöse Bildung
In einer gemeinsamen Kraftanstrengung sind Bildungsverantwortliche dieses Landes, die Verant-wortlichen für den Religionsunterricht der verschiedenen Religionen und die Verantwortlichen in der Aus- und Fortbildung der Lehrerinnen und Lehrer gefordert: Es müssen gemeinsame Standards religiöser Bildung für den katholischen, evangelischen, orthodoxen, jüdischen und islamischen Religi-onsunterricht (sowie dem anderer Religionen) in der österreichischen Schule etabliert werden. Und es braucht möglichst bald gemeinsame und dialogorientierte Ausbildungsteile für zukünftige Religi-onslehrer: Wenn diese bereits im Studium zukünftigen Religionslehrer/inne/n anderer Konfessionen und Religionen begegnen, werden sie auch in der schulischen Praxis eine gesprächsbereite Haltung entwickeln.
Religionsunterricht und Ethikunterricht!
Schüler/innen, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, sollten – wie das bereits in über 200 Schulversuchen in Österreich der Fall ist – an einem Ethikunterricht teilnehmen müssen, der sich auch mit Religion und Religionen sowie mit einer wertschätzenden Haltung diesen gegenüber be-schäftigt. Dass der Ethikunterricht in Österreich bislang über das Schulversuchsstadium nicht hinaus-gekommen ist, ist beschämend.
Das von Vizekanzler Mitterlehner eingemahnte Gespräch aller Bildungsverantwortlichen über die Weiterentwicklung des Religionsunterrichts ist notwendig und sollte möglichst bald beginnen.
Graz, 26. Jänner 2015